Schwankungen ausgleichen
Angelika Sack, Dorothea Schneider, Wolfgang und Berenice Pankalla, Carsten Niemeyer, Martina Warnken, Dirk Kleemeyer, Vivien Ortmann, Martin Fahrland, Friederike Kastens, Stephan Maaß, Theo Runge und Christoph Klomburg informierten die Mitglieder über Einkommensalternativen.
Bruchhausen-Vilsen (tb). „Es geht nicht alles, aber vieles“, sagte Martina Warnken, Vorsitzende des Vereins LandTouristik Niedersachsen (LTN) bei ihrer Begrüßung der rund 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Dillertal. Das Landvolk Mittelweser hatte gemeinsam mit dem Landvolk Grafschaft Diepholz, LTN und den Tourismusverbänden Mittelweser und DümmerWeser eingeladen zu einer Infoveranstaltung zum Thema Ferienvermietung und Direktvermarktung als zusätzliches Standbein in der Landwirtschaft. „Das Angebot Urlaub kann helfen, insbesondere in der aktuell schwierigen Situation, Einkommensschwankungen auszugleichen und Einkommen zu sichern“, so Warnken weiter. Inlandstourismus floriere, hinzu käme der Trend hin zu mehreren kürzeren Urlauben. Warnken selbst vermietet auf dem eigenen landwirtschaftlichen Betrieb im Landkreis Osterholz acht Ferienwohnungen und zwei sogenannte „Tiny Houses“.
Den Trend zum Urlaub im eigenen Land bestätigten die beiden Vertreter der Tourismusverbände, Dorothea Schneider und Martin Fahrland, bei der Vorstellung der beiden Regionen. Die Übernachtungszahlen stiegen wieder und insbesondere der Weser-Radweg als beliebtester Radfernweg Deutschlands biete Potential für Urlaub auf dem Bauernhof.
Die beiden Vorsitzenden der Landvolk-Kreisverbände, Christoph Klomburg und Theo Runge, brachten es aus Sicht der Landwirte auf den Punkt. „Zurzeit ist es der richtige Moment, sich mit dem Thema zu beschäftigen“, so Runge. „Wir Landwirte sind praktisch veranlagt“, sagte Christoph Klomburg. „Wir finden immer eine Lösung.“ So berichtete er von einem Berufskollegen, der keine neuen Ferkel mehr einstallte und kurzerhand Wohnwagenstellplätze in dem entkernten Stallgebäude errichtete. Zum Thema Umnutzung von landwirtschaftlichen Gebäuden und deren Genehmigung waren außerdem die Leitungen der Baubehörden der Landkreise Nienburg, Angelika Sack, und Diepholz, Stephan Maaß, eingeladen.
Mit Carsten Niemeyer stellte der erste von drei „Best-Practice-Betrieben“ sein Modell der Ferienvermietung vor. Auf dem Rittergut Brokeloh (Gemeinde Landesbergen), bewirtschaftet Niemeyer mit seiner Familie einen Ackerbaubetrieb nach Öko-Richtlinien und betreibt neben einem Heuhotel und ein paar Campingstellplätzen vier Ferienwohnungen. Veranstaltungsräume für Familienfeiern runden das Angebot ab. Einmal im Jahr findet mit „ConQuest of Mythodea“ das weltweit größte Live-Rollenspiel auf 50 Hektar Grünland rund um das Rittergut statt. Rund 8.000 Menschen zelten und spielen dann für vier Tage auf dem Gelände und verwandeln das Rittergut in den mittelalterlichen Kontinent Mythodea. „Man muss Lust dazu haben“, sagte Carsten Niemeyer, der schon häufiger Anfragen für Freiflächen für 500 bis 2.000 Personen hatte und in dieser Kategorie Potential sieht. LTN helfe dabei den Mitgliedsbetrieben bei der Vermarktung und Vernetzung.
Berenice und Wolfgang Pankalla berichteten von ihrem Weg von der Voll- zur Nebenerwerbslandwirtschaft hin zu einem reinen Gastronomie- und Ferienbetrieb mit nun 30 Betten, Café und Bauerngolfanlage. Nachgenehmigungen, Flächennutzungsplanänderung und Brandschutzvorschriften machten diesen Weg zu einem „Riesenprojekt“, der nun in einem „schlüssigen Konzept und viel Arbeit“ mündete, wie das Ehepaar erklärte. Eigenflächen seien komplett verpachtet, montags bis donnerstags seien häufig Monteure in den Wohnungen untergebracht, wochenends kämen viele Fahrradtouristen.
Dass die Kundenbetreuung nicht zu unterschätzen ist, erzählte abschließend Friederike Kastens, die mit ihrem Mann einen Milchviehbetrieb mit Direktvermarktung betreibt. 2015 hat sie die erste Milchtankstelle in einer kleinen Holzbude am Straßenrand eröffnet. Der SB-Verkauf wurde stetig erweitert, sodass erst eins, später das zweite Hühnermobil hinzukam. Zu den jetzt 550 Eiern täglich müsse sie immer noch welche zukaufen, um die Nachfrage zu decken. Die Kunden kämen größtenteils aus der Region und Kastens berichtete, wie sich ihr eigenes Bild als Landwirtin in der Öffentlichkeit verändert habe: „Die Leute grüßen mich jetzt, wenn sie mich auf dem Trecker sehen.“ Landwirtin zu bleiben ist ihr dabei besonders wichtig. Für die anfallende Büroarbeit und die Tätigkeit in der 2021 gepachteten Molkerei hat sie zuverlässige Mitarbeiter eingestellt, produziert nun Joghurt und beliefert Schulen, Kindergärten und Privathaushalte in Delmenhorst mit ihren Milchprodukten. Immer im Blick hat sie dabei, dass die Investitionen nicht zu groß werden, aus Angst vor neuen gesetzlichen Vorgaben: „Wer weiß, was uns die Politik noch alles zumutet?“
„Die Baubehörden sind das Wasser im Wein“, sagte Angelika Sack, Leiterin des Fachbereichs Bauen beim Landkreis Nienburg, augenzwinkernd nach den drei Beispielen der Einkommenskombination. Sie warb für den direkten Austausch mit den Behörden. „Gemeinsam finden wir Wege für Ihre Vorhaben“, versprach sie. Stephan Maaß, Fachdienstleiter Bauordnung und Städtebau beim Landkreis Diepholz, riet den Zuhörern, qualifizierte Entwurfsverfasser zu engagieren, um Bau- oder Nutzungsanträge auf Anhieb möglichst klar zu formulieren und Themen wie z. B. Brandschutz dabei nicht außen vor zu lassen. Jede einzelne Anfrage sei ein Einzelfall und dafür gelte es individuelle Lösungen zu finden, lautete das Fazit der beiden Behördenvertreter.
Christian Gießelmann von der Wirtschaftsförderung des Landkreises Nienburg stellte abschließend die Möglichkeit vor, durch Schaffung von Arbeitsplätzen oder Betriebserweiterung eine Förderung von maximal 50.000 Euro zu erhalten. „Wenn Sie Vorhaben planen, sprechen Sie mit uns!“ So lautete auch der Rat von Dirk Kleemeyer, der bei der Landvolk-Tochtergesellschaft LACO im Baugenehmigungsmanagement tätig ist. „Unsere Unternehmensberater rechnen mit Ihnen auch vorher durch, ob sich ein zweites Standbein tatsächlich lohnt“, so Kleemeyer. „Bei vielen Ideen macht es Sinn, vorher mit uns zu sprechen, ob sich ein Antrag überhaupt lohnt.“
„Denn ab dem ersten Wohnmobilstellplatz gilt die Genehmigungspflicht“, schloss Martina Warnken den aufschlussreichen Vortragsnachmittag ab.