Moorschutzstrategie: Stellungnahme zum Diskussionspapier

Moorschutzstrategie

Das Bundesumweltministerium hat ein Diskussionspapier über eine Moorschutzstrategie vorgelegt.

Das Landvolk Mittelweser hat dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit in Bonn seine Stellungnahme zum Diskussionspapier über eine Moorschutzstrategie der Bundesregierung übersandt.

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Inhalte des oben genannten Diskussionspapiers bzw. eine Moorschutzstrategie der Bundesregierung betreffen die Existenzgrundlage sehr vieler landwirtschaftlicher Betriebe. Als Interessenvertretung für viele landwirtschaftliche Betriebe für die Landkreise Nienburg, Diepholz, Verden und Oldenburg in Niedersachsen äußern wir zu den Inhalten des Papiers folgende deutliche Kritik:

Es ist gut, wenn die Bundesregierung davon überzeugt ist, dass der Schutz, die Wiedervernässung und die nachhaltige Nutzung von Mooren und Moorböden nur im Schulterschluss (!) mit der örtlichen Bevölkerung und denjenigen, die die Flächen derzeit bewirtschaften, gelingen können. Hier fehlt aber bereits, dass das auch für die Eigentümer gelten muss, denn die größten Teile von Moorböden befinden sich in den Regionen im privaten Grundeigentum. Leider wird nach der Einleitung auf den folgenden mehr als 50 Seiten in keiner Weise deutlich, dass für einen solchen „Schulterschluss“ tatsächlich auch mit der dazu notwendigen Beschränkung auf ausschließlich kooperative Mittel gearbeitet werden soll. Außer wolkigen Umschreibungen von kooperativen Ansätzen wird deutlich, dass das Bundesumweltministerium den eigentlichen Schwerpunkt in der Durchsetzung seiner Ziele mit der harten ordnungsrechtlichen Faust bis an die Grenze enteignungsgleicher Eingriffe sieht.

Der Schutz kohlenstoffreicher Böden zur Moorentwicklung umfasst größtenteils Flächen, die wegen ihrer hohen natürlichen Fruchtbarkeit seit Jahrhunderten die Grundlage landwirtschaftlicher Bewirtschaftung bilden. Würde man, wie Sie es vorsehen, großzügig Moorflächen wiedervernässen, dann würden die betroffenen Landwirte wesentliche Teile ihrer landwirtschaftlichen Grundlage bestenfalls entwertet bekommen oder schlimmstenfalls verlieren. Nicht weniger als die Existenzgrundlagen vieler landwirtschaftlicher Familien stehen auf dem Spiel, die über Generationen Flächen in den Gebietskulissen bewirtschaftet haben.

Viele landwirtschaftliche Betriebe in den betroffenen Regionen haben in den vergangenen Jahren zum Teil sehr große Investitionen getätigt, um ihre Betriebe für den immer härter werdenden Wettbewerb zu wappnen. Eine Amortisation dieser hohen Kosten kann nur durch langfristig gewährleistetes Wirtschaften erfolgen. Genau das ist jedoch durch die drohenden „Flächenopfer“ massiv gefährdet. Eine hohe Verschuldung nicht nur einer Generation hätte dies zur Folge. Dabei eröffnet sich ein weiteres Folgeproblem, nämlich das der Entwertung der nicht mehr landwirtschaftlich nutzbaren Flächen. Banken könnten diese Flächen nicht mehr zur Finanzierung von Investitionen in die Beleihungsgrenzen mit einbeziehen. Zudem werden den bereits laufenden Krediten durch die Entwertung der zur Sicherung dienenden Flächen Sicherheiten entzogen, was noch nicht abschätzbare Folgen für die betroffenen Landwirte und auch Banken haben wird.

Es besteht das generelle Problem, dass der tägliche Verlust an landwirtschaftlichen Nutzflächen in Deutschland ca. 60 ha beträgt. Es ist mittlerweile zu verzeichnen, dass landwirtschaftlich nutzbare Fläche zu einem äußerst knappen Gut geworden ist. Dies spiegelt sich auch in unserer Region Mittelweser wider. Die rasant steigenden Pacht- und Bodenpreise sind der beste Beweis dafür. Der Boden ist eine unverzichtbare Produktionsgrundlage der Lebensmittelerzeugung und wird auch zukünftig nachhaltig zur pflanzlichen und tierischen Produktion genutzt. Die bewirtschafteten Flächen dienen als absolute Basis zur weiteren Einkommenssicherung der landwirtschaftlichen Familien. Es erklärt sich daher von selbst, dass Acker und Grünland ordnungsgemäß bewirtschaftet werden. Denn es ist gerade die Aufgabe der Landwirtschaft, die Bevölkerung zuverlässig mit qualitativ hochwertigen und bezahlbaren Lebensmitteln zu versorgen. Dies ist auch ausdrücklich der politische Wille der Vergangenheit, der nach wie vor von Bedeutung ist. Dies ist jedoch nur solange möglich, wie das Produktionsmittel, landwirtschaftlich nutzbare Fläche, für die Landwirtschaft erhalten bleibt.

Die landwirtschaftlichen Betriebe erzielen also für unsere Region Mittelweser, ohne nennenswerte Industrie, eine hohe wirtschaftliche Leistung, von der viele (auch nichtlandwirtschaftliche) vor- und nachgelagerte Bereiche profitieren. Die wirtschaftliche Schwächung der landwirtschaftlichen Betriebe hat also auch weitereichende Folgen auf andere Bereiche (z.B. produzierendes und verkaufendes Gewerbe). Der von Ihnen vorgesehene Eingriff in das Eigentum vieler Landwirte und Grundeigentümer führt somit zu einer schleichenden Enteignung und erweist sich als unverhältnismäßig. Eine Vielzahl der unter Schutz gestellten Flächen werden seit Jahrzehnten landwirtschaftlich genutzt. Viele Betriebe haben erst durch umfangreiche und bis in die heutige Zeit fortdauernde und auch weiterhin notwendige Meliorationsmaßnahmen die von der geplanten Maßnahme betroffenen Gebiete großflächig landwirtschaftlich nutzbar gemacht. Grundlage der landwirtschaftlichen Grünlandbetriebe sind oftmals diese kultivierten Flächen, deren Nutzungsmöglichkeiten durch die Unterschutzstellung nun erheblich beschränkt würden. Gerade die fortlaufende Unterhalteung der Entwässerungssysteme, insbesondere Meliorationsmaßnahmen, sind aber erforderlich, um den wachsenden Anforderungen an die landwirtschaftliche Bodenproduktion zu genügen. Außerdem sollte auch bedacht werden, dass die Wiedervernässung von einzelnen Flächen starke Auswirkungen auf viele weitere Flächen hat, da die landwirtschaftlichen Nutzflächen ein besonderes aufeinander abgestimmtes Gewässersystem aufweisen. Der zu erwartende Schaden wird durch diesen Umstand um ein Vielfaches erhöht und ist von Ihnen in keiner Weise Folgen abgeschätzt.

Außerdem ist nicht konkret dargestellt, was man sich unter einer „Bewirtschaftungsweise“ vorstellen muss, die nach einer Umstellungsphase erreicht werden soll. Es ist nicht beschrieben, welche Zeiträume für die Umstellung geplant werden und es ist in keiner Weise dargelegt, wie die Bundesregierung damit umgehen will, dass härteste Arbeit und hohe Investitionen aus vielen Jahrzehnten in den Betrieben bei den geplanten Wiedervernässungszielen mit einem Schlag wertlos werden. Bei derart grundlegenden Umstellungen folgt nicht, dass nur „vorübergehende“ Einkommensverluste entstehen. Die Konsequenz ist, dass darüber hinaus das heutige Wertschöpfungspotenzial im vor- und nachgelagerten Bereich ebenso verloren geht wie der damit verbundene Bedarf an Arbeitskräften. Eine theoretisch mögliche „nasse“ Nutzung mit Wasserständen von weniger als 30 cm unter Flur oder sogar eine Vollvernässung mit Wasserständen zwischen Null und 10 cm unter Flur lassen nur noch eine arbeitsextensive Primärproduktion zu, d. h. Rohstoffe für Dämmstoffe, energetisch verwertbare Biomasse oder Ersatzstoffe für Torfsubstraterden. Das zeigen alle bekannten Beispiele, die bisher aufgezeigt wurden. An keiner Stelle geht das Diskussionspapier auf Lösungen für den damit verbundenen Arbeitsplatzabbau in den betroffenen strukturschwachen Regionen ein.

Bei Moorböden soll die Entwicklung naturnaher Moore angestrebt werden, auf jeden Fall aber ist der Torfkörper zu erhalten. Die Entwicklung naturnaher Moore führt unmittelbar zur Entstehung naturschutzrechtlich streng geschützter Biotoptypen und FFH-Lebensraumtypen. Nach der jüngeren Rechtsprechung erstreckt sich dieser Schutz auch auf Nährstoffeinträge, die eine Eutrophierung bewirken können und damit dem Schutz- und Entwicklungsziel entgegenstehen. Die Niedersächsische Fachbehörde für Naturschutz, NLWKN, vertritt sogar die Auffassung, dass diese Rechtsauslegung auch bei anderen geschützten nährstoffempfindlichen Biotoptypen zu berücksichtigen sei. Sowohl von der Tierhaltung vieler Betriebe als auch von der notwendigen Düngung der Nutzflächen dieser Betriebe gehen aber unvermeidbare Emissionen an Nährstoffen aus, die auf dem Luftpfad in diese Zielflächen Ihres Maßnahmenpaketes eingetragen werden. Damit sind die Entwicklungsmöglichkeiten auf den betroffenen Hofstellen und auch die zukünftige landwirtschaftliche Nutzbarkeit der Betriebsflächen, die an diese potenziellen Entwicklungsflächen angrenzen, massiv gefährdet.

Zusammenfassend führt der Weg, den das Diskussionspapier beschreibt, zu einer unmittelbar drohenden dramatischen Wertminderung des Eigentums, gefährdet die Kreditwürdigkeit von Betrieben und bedroht damit selbst bei theoretisch denkbaren langfristigen Nutzungsalternativen akut die Existenz vieler Familien. Darüber hinaus bereitet uns größte Sorgen, dass angesichts der angedeuteten ordnungsrechtlichen Schritte einschließlich der geplanten gesetzlichen Verpflichtung von Wasser- und Bodenverbänden bzw. Unterhaltungsverbänden, eine Wiedervernässung zu betreiben, der Landwirt nicht einmal mittelfristig mehr in der Lage sein wird, seine Moorflächen weiter wirtschaftlich nutzen zu können. Unmittelbar ruinös können bereits verschärfte Anforderungen für den Erhalt von Direktzahlungen aus der EU für den Landwirt werden.

Darüber hinaus wird es bei Umsetzung der im Diskussionspapier beschriebenen Maßnahmen wegen des naturschutzrechtlichen Status von „renaturierten“ Flächen dazu kommen, dass im Umkreis solcher Flächen von bis zu mehreren Kilometern ebenfalls alle Höfe mit Tierhaltung in die Existenzbedrohung geraten, weil sie die damit verbundenen Einschränkungen der zulässigen Ammoniakemissionen auf Dauer nicht erfüllen können. Es ist auch hier völlig unklar, was sich das Bundesumweltministerium unter der angemessenen Berücksichtigung der Interessen der Eigentümer/innen und Bewirtschafter/innen „angrenzender“ Flächen vorstellt. Für einen Betrieb, dessen Hofstelle auf einem Moorstandort gelegen ist, bedeutet das geplante Bauverbot ebenfalls innerhalb kürzester Zeit den wirtschaftlichen Ruin und in Kombination mit Bewirtschaftungseinschränkungen auf den landwirtschaftlich genutzten Flächen das Ende in Altersarmut.

Natur- und landschaftsschützende Maßnahmen sind des Öfteren nicht als Eingriff in das Eigentumsgrundrecht des Art. 14 GG, sondern nur als verfassungsrechtlich unbedenkliche Bestimmungen von Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG gewertet worden. In diesem Zusammenhang wird meistens so argumentiert, dass die natürlichen oder landschaftsräumlichen Gegebenheiten eines Grundstücks im Interesse der Allgemeinheit erhaltenswert seien und des Schutzes bedürfen, so würden sich daraus immanente, dem Grundstück selbst anhaftende Beschränkungen der Eigentümerbefugnisse ergeben, die durch natur- und landschaftsschutzrechtliche Regelungen lediglich nachgezeichnet werden. Das mag bis zu einer gewissen Eingriffsintensität auch so sein, denn Eigentum verpflichtet und dies solle auch aus unserer Sicht im Wege des Naturschutzes geschehen, solange dies sich in einer verträglichen und nicht übermäßig belastenden Art und Weise auf das Grundeigentum Dritter auswirkt.

Wir lehnen die Vorschläge des Diskussionspapiers zu einer Moorschutzstrategie als grundsätzlich völlig unzureichend ab. Das Papier wird dem selbst gestellten Anspruch eines kooperativen Ansatzes in keiner Weise gerecht. Wir fordern das Bundesumweltministerium auf, zunächst die Datengrundlage deutlich zu verbessern. Es wird z. B. in Abbildung 1 in keiner Weise berücksichtigt, dass erhebliche Teile der dargestellten Moorgebiete durch gesellschaftlich geforderte und geförderte Kultivierungsmaßnahmen zur Gewährleistung der Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln im letzten Jahrhundert so verändert wurden, dass nicht mehr von 1,8 Mio Hektar Moorböden gesprochen werden kann. Weiterhin müssen zunächst taugliche Lösungsansätze für die von uns dargestellten Probleme bereitgestellt werden, bevor Entscheidungen über rechtliche Anpassungen oder Veränderungen von Anforderungen an einkommensstützende Direktzahlungen getroffen werden dürfen. Die Bundesregierung steht in der Verantwortung für die Landwirte, deren Familien und deren Region, in der die Moorgebiete im gesellschaftlichen Auftrag zur Ernährungssicherung besiedelt und kultiviert haben.  Dieser Verantwortung wird das Diskussionspapier in keiner Weise gerecht.

Stand: 15. November 2020