Erneuerung der Kanalisation ist Ländersache
„Kanalisationen modernisieren, anstatt Abwässer ungeklärt in die Flüsse einzuleiten“: Unter dieser Überschrift startete Landwirt Christian Lohmeyer aus Bücken eine Petition, die mit 53.535 Unterzeichnern das notwendige Quorum von 50.000 Menschen erreichte, um vom Petitionsausschuss des Deutschen Bundestag behandelt zu werden. Denn viele Städte hätten Kanalisationen, die mehr als 100 Jahre alt und als Mischwasserkanäle ausgelegt seien. Das heißt: Niederschlags- und Haushaltswasser werden zusammen zum Klärwerk geleitet. Bei Regen könne es dann durchaus passieren, dass diese Abwässer unkontrolliert in die Bäche abgegeben werden. So gelange alles, was in einem Haushalt in die Kanalisation gehe, in die Natur – von Fäkalien über Reinigungsmittel bis hin zu Rückständen von Medikamenten.
„Bisher schien es politischer Konsens, dass für die Nährstofffrachten sowie alle ungewünschten Stoffe in den Flüssen ausschließlich die Landwirtschaft verantwortlich ist. Diese Darstellung ist nun unhaltbar“, sagt Christian Lohmeyer. Auch in Bezug auf die neuerliche Verschärfung des Düngerechts müsse die eingeleitete Nährstofffracht ermittelt und im Sinne der Wasserrahmenrichtlinie der Europäischen Union bewertet werden, erklärt der Landwirt, der über den großen Zuspruch auf seine Petition glücklich ist.
Das Wasserhaushaltsgesetz untersagt grundsätzlich die Einleitung ungeklärter Abwässer in Flüsse und Bäche. Das machte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Florian Pronold (SPD), am Montag während einer öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses deutlich. In Fällen extremen Starkregens könne es aber vorkommen, dass die vorhandene Kanalisation mit all ihren Rückhaltebecken und anderen Vorrichtungen nicht ausreicht, um die Wassermengen aufzufangen und zu klären und so Wasser aus den Mischkanalsystemen eingeleitet werde, räumte er ein. Dies habe vielfach mit den in die Jahre gekommenen Kanalisationssystemen zu tun, für deren Wartung und Instandsetzung jedoch die Länder zuständig seien, sagte Pronold. Festzustellen sei aber auch, „dass sich die Qualität unserer Oberflächengewässer in den letzten Jahren konsequent verbessert hat“, fügte er hinzu.
Grundlage der Sitzung war eine öffentliche Petition des Landwirts Christian Lohmeyer, der gefordert hatte, die Einleitung von ungeklärtem Abwasser aus Haushalten in die Flüsse und Bäche zu stoppen. Die maroden und oft völlig veralteten Kanalisationen unter den meisten deutschen Städten müssten saniert werden, schreibt er in der Petition. Es brauche eine Bewertung des momentanen Umfangs der Einleitung sowie der in den Abwässern enthaltenen Substanzen. Einleitungspunkte müssten zudem umgehend kenntlich gemacht werden, sodass diese auch bei normalen Wasserständen erkannt werden.
Während der Sitzung widersprach Lohmeyer der Einschätzung des Umwelt-Staatssekretärs, wonach es zu einer ungeklärten Einleitung des Hausabwassers nur bei Fällen extremen Starkregens kommen könne. Das Beispiel Wilhelmshaven zeige, dass schon bei Niederschlägen ab zehn Liter pro Quadratmeter in der Stunde die Abwässer konsequent in die Nordsee eingeleitet würden. In Berlin fänden die Einleitungen in die Spree bis zu 60 Mal pro Jahr statt. Dies zeige, dass die Einleitung von ungeklärten Abwässern in Flüsse, Bäche und Meere „gängige Praxis in Deutschland zu sein scheint“. Lohmeyer sprach sich für eine Kennzeichnung der Einleitungsstellen aus, damit unter anderen Wassersportler, Badende und Angler sich daran im Interesse des Gesundheitsschutzes orientieren können.
Einig waren sich Petent und Regierungsvertreter in der Einschätzung, dass es eine massive Entsiegelung von Flächen geben müsse, damit das Regenwasser, statt die Abwasserkanäle zu fluten, in den Boden versickern könne. Lohmeyer forderte zudem, die Kanalisation, die oft aus dem 19. Jahrhundert stamme, zu erneuern. Staatssekretär Pronold sagte dazu: „Wir setzen darauf, dass die Länder in Zusammenarbeit mit den Kommunen Stück für Stück ihre Kanalisation verbessern und auf die vermehrt kommenden Starkregenereignisse einstellen.“ Dies sei eine Herkulesaufgabe für die nächsten 20 bis 30 Jahre. Er wolle nicht ausschließen, dass der Bund die Länder dabei unterstützen wird, sagte der Ministeriumsvertreter.
Link zur Originalmeldung: www.bundestag.de/presse/hib/700896-700896