Die Zügel lockerer lassen
Gut besucht war die Kreisverbandsversammlung im Landhaus Hünecke in Warpe.
Syke/Warpe (ine). „Die Kluft zwischen dem politischen Anspruch und der Realität auf den Höfen wächst“, sagte Christoph Klomburg auf der Kreisverbandsversammlung des Landvolk Mittelweser. Der Vorsitzende stellte vor etwa 200 Berufskollegen im Landhaus Hünecke in Warpe fest: „Wir werden zwar gehört, aber selten verstanden.“ Da half es auch nicht, dass die beiden Bundestagsabgeordneten Peggy Schierenbeck (SPD) und Axel Knoerig (CDU) in ihren Grußworten beteuerten, sich für den Bürokratieabbau einzusetzen. „Sie haben sich mehr von der Politik erhofft, und sie hätten auch mehr verdient“, sagte Peggy Schierenbeck. Aber die Prozesse dauerten nun mal solange wie sie dauerten, stellte die Politikerin fest. Axel Knoerig gestand ein, dass die CDU zu lang vor allem die urbanen Regionen in den Fokus gerückt habe. Das wolle man nun ändern.
Christoph Klomburg erinnerte in seiner Rede an die Bauernproteste, die am Anfang des Jahres stattfanden. „Es war beeindruckend, was da von allen Beteiligten neben der normalen Arbeit geleistet wurde. Auf unsere Geschlossenheit können wir stolz sein“, freute er sich. Die Landwirtschaft dürfe nicht der Prellbock für Haushaltskonsolidierungen sein, konstatierte er. Dass die Herausforderungen vielfältig sind, zeigte der Vorsitzende Jürgen Meyer in einem Abriss unterschiedlicher Themen auf. Ob Afrikanische Schweinepest oder Blauzungenkrankheit, ob die aufgrund des Koalitionsbruchs ausstehende Novelle des Düngegesetzes oder die anhaltende Ausweisung der Roten Gebiete: All das halte die Landwirte in Atem. Und noch dazu stark im Büro beschäftigt. Aus Meyers Sicht positiv: 1.855 junge Menschen würden gerade in Niedersachsen den Beruf des Landwirts erlernen: „Diese Zahl ist gestiegen. Es ist schön, dass es junge Leute gibt, die diesen Beruf erlernen wollen.“ Das ist auch Wasser auf die Mühlen von Christoph Klomburg: „Wir schützen die Natur und übernehmen Verantwortung für zukünftige Generationen. Die Landwirtschaft ist einer der nachhaltigsten Bereiche.“ Umso mehr ärgert es ihn, dass er und seine Berufskollegen die Klimaziele für einen großen Teil der Gesellschaft schultern sollen. Auch die Auflagen hätten ein neues Ausmaß erreicht. „Viele von uns arbeiten bis zur Belastungsgrenze oder darüber hinaus.“ Was er sich von der Politik wünscht? „Uns fehlen echte Lösungen, die unseren Berufsstand stärken. Man könnte die Zügel lockern, ohne dass die Welt zusammenbricht.“ Olaf Miermeister, Geschäftsführer des Landvolk Mittelweser, ging unter anderem auf die ober- und unterirdisch verlaufenden Leitungen ein, die unterschiedliche Netzbetreiber bauen wollen, um den im Norden erzeugten Strom in den Süden zu transportieren. Teilweise entstünden so Arbeitsstreifen von bis zu 70 Metern – „unvorstellbar“, nannte Olaf Miermeister das. Und die Auswirkungen auf die Flächen seien aufgrund der dadurch resultierenden Erderwärmung noch nicht absehbar.
Im Rahmen der Ehrungen hefteten die beiden Vorsitzenden Thorsten Helms (Bassum), Gert Riekemann (Hoysinghausen) und Erich Rothschild (Marklohe/Lemke) für ihr 20-jähriges Engagement als Ortsvertrauensleute Ehrennadeln ans Revers. Auf Stephan Bruns (Barrien) folgte als neuer Kassenprüfer Hergen Bahrs (Beckeln). Ein bisschen Wahlkampf gab es dann auch noch: Peggy Schierenbeck warb für eine Vereinfachung der Bürokratie, Axel Knoerig möchte die EU- stärker mit der Deutschland-Politik verzahnen. „Nicht reden, sondern liefern“, kommentierte der Vorsitzende Jürgen Meyer die Aussagen der Politiker, die die Versammlung nach dem offiziellen Teil verließen. Dabei informierte dann mit Prof. Dr. Gerd Ganteför ein Wissenschaftler über den „Plan B fürs Klima“. Der in der Schweiz lebende Deutsche stellte fest: „Deutschland verstrickt sich in enormer Bürokratie.“ Und er unterstrich, dass man die Wissenschaft von der Ideologie deutlich trennen müsse. Mit der Angst der Menschen dürfe man nicht arbeiten, sagte der Physiker. Eine Energiewende sei wichtig, aber bürgerfreundlich müsse sie sein. Schließlich komme nur 50 Prozent des CO2-Ausstoßes in der Atmosphäre an, der Rest werde in Bäumen und den Meeren gespeichert. So sieht das Erneuerbare Energien-Gesetz (EEG) vor, 280 Gigawatt aus Windenergie und 400 Gigawatt aus Photovoltaik zu erzeugen. „Heute hat ganz Deutschland einen jährlichen Bedarf von 85 Gigawatt. Sie erzeugen hier Mengen an Strom und Energie und wissen nicht, wohin damit.“ Wenn man den Menschen wichtige Informationen vorenthalte, sei das das unlauter, erklärte Gerd Ganteför. „In einer Demokratie kann man nur Dinge gemeinsam mit den Bürgern verändern.“
Video der Rede von Christoph Klomburg: https://vimeo.com/1031554920/fc5bc1a1c7
Video des Vortrags von Prof. Dr. Ganteför: https://vimeo.com/1031554158/f6f7a56b39