„Ausweisung roter Gebiete reine Willkür“
Mittelweser - Anfang September haben die niedersächsische Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) und ihr Kollege Olaf Lies (SPD) aus dem Ressort Umwelt den Entwurf einer niedersächsischen Verordnung über düngerechtliche Vorschriften zum Schutz von Gewässern vor Verunreinigung durch Nitrat oder Phosphat zur Umsetzung des Paragraphen 13 Absatz 2 Düngeverordnung veröffentlicht und im Zuge dessen auch die nitratsensiblen sogenannten „roten Gebiete“ bekanntgegeben. Rund 60 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche im Verbandsgebiet sind dabei als Grundwasserkörper in angeblich „schlechtem chemischen Zustand wegen Nitrat“ eingestuft worden. Dafür reicht es beispielsweise aus, dass lediglich eine Messstelle eines oberen Grundwasserkörpers einen Nitratgehalt von mindestens 50 Milligramm pro Liter ausweist. Dabei spielt die Ursache für die gemessenen Gehalte keine Rolle, auch wenn diese Ursachenforschung von Amtswegen („Wenzel-Erlass“) keine Zuordnung zur Landwirtschaft ergeben hat.
Das Landvolk Mittelweser kritisiert dabei die Systematik der Ausweisung der vermeintlich belasteten Grundwasserkörper. Die Ausweisung erfolgte zudem anhand von Daten aus dem Jahr 2013 oder früher. „Wenn nur eine Messstelle einen Wert größer 50 Milligramm pro Liter ausweist, gilt der gesamte Grundwasserkörper als belastet. Diese Fläche kann sich über riesige Gebiete erstrecken“, erklärt Landvolk-Geschäftsführer Olaf Miermeister. Als Beispiel nennt Miermeister einen Messpunkt in Dörverden, dessen erhöhter Wert Auswirkungen auf den gesamten Grundwasserteilkörper nach Süden über Hassel, Rohrsen, Nienburg bis Landesbergen und Leese hat. „Das Wasser im Boden bewegt sich zur Weser und Richtung Nordsee. Fachlich ist es nicht möglich, dass die belastete Messstelle über die Weser hinaus, flussaufwärts, das Gebiet südlich der Weser beeinflusst.“ Landwirte in Leese dürfen nach den Vorstellungen des Bundeslandwirtschaftsministeriums (CDU) nur noch 80 Prozent ihres errechneten und zur Pflanzenernährung notwendigen Stickstoffdüngerbedarfs ausbringen, weil in Dörverden - 40 Kilometer weiter flussabwärts - ein leicht erhöhter Wert (72 Milligramm/Liter) in einer oberflächennahen Messstelle ermittelt wurde.
„Wenn jemand in seiner Nähe kein belastetes Grundwasser hat, und dementsprechend auch keine belastete Messstelle, dann wird jegliche erzwungene Änderung seines Handelns keinerlei Effekt auf die Qualität des oberflächennahen Grundwassers haben können. Vor diesem Hintergrund sind die teilweise existenzgefährdenden Auflagen und Eingriffe nicht zu tolerieren. Es ist niemanden verständlich zu machen, seinen Betrieb zu gefährden, ohne durch diese Maßnahme irgendeinen Effekt für die Grundwasserneubildung unter seinen Flächen zu erzielen.“, sagt Landvolk-Vorsitzender Tobias Göckeritz. „Falls die verantwortlichen Politiker in Hannover nicht noch ein Einsehen haben, dann wird den betroffenen Betrieben nichts anderes übrig bleiben, als Einzelfeststellungsklagen, gegen das Land anzustrengen, da weder Kausalität noch Verhältnismäßigkeit von Gebietsausweisung und Auflagen gegeben sind“, so Göckeritz weiter.
Laut Landvolk Mittelweser sind die Landwirte bereit, sich jede belastete Messstelle anzusehen und entsprechende Maßnahmen zur Reduzierung des Nitrateintrags zu ergreifen, sofern erhöhte Nitratgehalte auf Landwirtschaft zurück zu führen sind. „Insbesondere in Wasserschutzgebieten arbeiten Landwirte seit über 20 Jahren gemeinsam mit den Wasserversorgern und der Wasserschutzberatung intensiv zu dem Thema und handeln entsprechend“, versichert Olaf Miermeister. Dennoch werden auch Landwirte die in Trinkwassergewinnungsgebieten erfolgreich wirtschaften, pauschal von den unzutreffenden Gebietsausweisungen getroffen. Eine Neueinstufung der Gebietskulisse sei erst zum Stichtag 22. Dezember 2021 vorgesehen mit Daten aus 2019.
Landvolk-Vorsitzender Christoph Klomburg erklärt, dass laut letztem niedersächsischen Nährstoffbericht bereits eine deutliche Reduzierung der Stickstoffmenge um 45.000 Kilogramm erzielt wurde. Weitere 30.000 Kilogramm weniger Stickstoff schlagen im anstehenden Bericht zu Buche. „Sämtliche Maßnahmen der Düngerreduzierung, Kooperationen mit dem Ziel von Wasser- und Naturschutz, sowie die stark rückläufigen Tierzahlen wurden bei der Schätzung des sogenannten Sickerwasserpotenzials nicht mit einbezogen. Darüber hinaus werden alle außerlandwirtschaftlichen Einflüsse nicht in Betracht gezogen“, sagt Klomburg. „Die roten Gebiete stellen meiner Meinung nach reine Willkür dar!“